Psychomotorik

Kurzfassung:

Definition von Psychomotorik: Verknüpfung geistiger Prozesse mit Bewegung und Spiel, beeinflusst durch individuelle Eigenschaften. Fördert Wahrnehmung und Bewegung zur ganzheitlichen Entwicklung.

Historischer Hintergrund: Ursprung in den 1950ern durch Ernst Kiphard in Deutschland. Zentriert auf die positive Einflussnahme sportlicher Aktivitäten auf die emotionale Entwicklung von Kindern, führte zur Entstehung verschiedener Ansätze und Schulen in der Psychomotorik.

Anwendung in der Praxis: Breite Nutzung in pädagogischen und therapeutischen Umgebungen, mit individuell angepassten Ansätzen für eine ganzheitliche Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Angeboten in spezialisierten Praxen, Sportvereinen sowie in Schulen und Kindergärten.

Psychomotorik bezeichnet die Wechselbeziehung zwischen geistigen Prozessen, wie Gefühlen oder Konzentration, und unserer natürlichen Bewegung oder Spielweise, die durch persönliche Eigenschaften geprägt ist.

Der folgende Artikel erörtert dieses Konzept, das sowohl die Wahrnehmung als auch die Bewegung fördert und auf die gesamte Entwicklung ausgerichtet ist.

Schulen

Verschiedene Psychomotorik-Schulen legen Wert auf die Wechselwirkung zwischen der psychischen Erfahrung eines Menschen, seiner emotionalen Entwicklung und der Entwicklung von Bewegungsfähigkeiten und Wahrnehmung. Hierbei werden auch die Einflüsse der sozialen und materiellen Umwelt auf die Psyche und die Motorik berücksichtigt.

Die unterschiedlichen Psychomotorik-Schulen und -Institutionen basieren auf verschiedenen Grundannahmen über die Ursachen von gestörten Bewegungen und auffälligem Verhalten. Die Gründer dieser Ansätze nutzen eine Vielzahl von Theorien aus den Bereichen Psychologie, Pädagogik, Soziologie und Medizin, um ihre praktischen Methoden zu stützen. Hierbei greifen sie geeignete Elemente aus Konzepten der Psychoanalyse und der kognitiven Psychologie auf.

Die Ansätze der Psychomotorik sind auch unter anderen Bezeichnungen wie Bewegungspädagogik, Bewegungstherapie und Motopädagogik bekannt. Psychomotorik dient sowohl als pädagogisches als auch als therapeutisches Werkzeug.

Geschichte

Die Psychomotorik wurde in den 1950er Jahren in Deutschland durch Ernst Kiphard ins Leben gerufen, der als Gründer dieses Konzeptes gilt. Er adaptierte den Begriff Psychomotorik von der deutschen Rhythmikerin Charlotte Pfeffer, die 1938 einen Artikel mit dem Titel „Psychomotorische Therapie“ veröffentlichte. Kiphard bemerkte, dass seine sportlichen Aktivitäten die emotionale Entwicklung der Kinder, mit denen er arbeitete, positiv beeinflussten. Daher begann er, sein Bewegungsprogramm weiter zu entwickeln.

Kiphard meinte, dass motorische und sensorische Auffälligkeiten bei Kindern mit Lern- und Verhaltensproblemen oft auf minimale Hirnfunktionsstörungen zurückzuführen sind. Diese Probleme können laut ihm zu diversen Schwierigkeiten führen, wie Hyperaktivität, emotionale Instabilität oder Motivationsverlust, und allgemein die Fähigkeit beeinträchtigen, das eigene Verhalten angemessen zu steuern.

Laut Kiphard kann durch psychomotorische Übungsbehandlung eine Stabilisierung und Harmonisierung der Persönlichkeit der Kinder erreicht werden, indem sie sich mit ihren eigenen Fähigkeiten und Ängsten auseinandersetzen. Während seiner Zeit als Professor für Heilpädagogik und Rehabilitation an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat er das Konzept der Psychomotorik weiter ausgebaut.

Entwicklung

Ab Mitte der 1980er Jahre gab es Kritik an der psychomotorischen Übungsbehandlung nach Kiphard, da sie als zu medizinisch und defizitorientiert angesehen wurde. Dies führte zur Weiterentwicklung des Konzepts, wobei nun der „kindliche Standpunkt“ mehr Beachtung fand. Neue Richtungen in der Psychomotorik, wie der kindzentrierte Ansatz von Renate Zimmer und Meinhart Volkamer sowie der kompetenzorientierte Ansatz von Friedhelm Schilling, kamen auf.

Der kindzentrierte Ansatz, auch bekannt als kindzentrierte Mototherapie, ähnelt der indirekten Spieltherapie nach Virginia Axline. Er stützt sich auf die Persönlichkeitstheorie von Carl Rogers. Dieser Ansatz bietet Kindern einen Raum, in dem sie durch Bewegung und soziale Erfahrungen eigene Lösungswege für ihre emotionalen Probleme finden können. Ziel ist es, das Selbstbild der Kinder durch selbst gewählte und frei gestaltbare Bewegungserfahrungen zu stärken, wobei die Kinder ihre eigenen Möglichkeiten und Einflüsse erkennen sollen.

Beim kompetenzorientierten Ansatz geht es darum, Kindern mit Bewegungsstörungen zu helfen, ihre psychischen Probleme, die oft als Ausgleich für mangelnde Bewegungsfähigkeiten entstehen, zu überwinden. Zum Beispiel kann die Aggressivität eines Kindes als Reaktion auf motorische Probleme gesehen werden. Dieser Ansatz zielt darauf ab, Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Bewegungsfähigkeiten nachträglich zu entwickeln, um somit Fehlverhaltensweisen abzulegen. Theoretische Grundlagen für diesen Ansatz finden sich in den Werken von Viktor von Weizsäcker, Alexei Leontjew und Jean Piaget.

Obwohl der kompetenzorientierte Ansatz einige Kritik für seine defizitorientierte Sichtweise erhalten hat, hat Jürgen Seewald Anfang der 1990er Jahre einen neuen, verstehenden Ansatz in der Psychomotorik entwickelt. Dieser Ansatz basiert stark auf der psychoanalytischen Sicht des Menschen und bezieht sich auch auf die leibesphänomenologische Perspektive nach Maurice Merleau-Ponty. Seewald hat bestimmte körperliche und Beziehungsthemen für Kinder entwickelt, die Therapeuten helfen sollen, die Probleme und deren Ursprünge zu identifizieren, um entsprechende Bewegungs- und Beziehungsangebote zu machen. Diese Angebote sollen den Kindern langfristig helfen, ihre Probleme zu verarbeiten und zu bewältigen. Seewalds Ansatz legt großen Wert auf den Beziehungsaspekt.

In der Mitte der 1990er Jahre präsentierten Rolf Balgo und Reinhardt Voss ihre systemische Psychomotorik. Diese Theorie, die auf Systemtheorie, radikalem Konstruktivismus, Kybernetik der zweiten Ordnung und dem Autopoiesis-Konzept basiert, ruft dazu auf, die psychomotorische Entwicklung von Menschen als eine angemessene Anpassung der Kinder an ihre materielle und vor allem soziale Umgebung zu verstehen. Der Fokus liegt hier nicht auf der Behandlung von Kindern mit seelischen und motorischen Auffälligkeiten, sondern auf der Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen sie sich befinden.

Verwandte Entwicklungen

Anna Jean Ayres: Anna Jean Ayres war eine bedeutende Ergotherapeutin aus den USA, die maßgeblich die Wissenschaft der Psychomotorik beeinflusst hat. In den 1960er Jahren schuf sie das Konzept der sensorischen Integration (kurz SI), wodurch sie das Wissen über menschliche Bewegung und Wahrnehmung wesentlich erweiterte, insbesondere wie diese Aspekte einander beeinflussen.

Ihre Theorie erklärt, dass alle Teile des Zentralnervensystems gemeinsam arbeiten müssen, um die Informationen zu verarbeiten, die der Körper über Bewegung und Wahrnehmung erhält. Dies ermöglicht es dem Menschen, ein klares Bild von sich selbst und seiner Umwelt zu haben, was für alle Lern- und Verhaltensprozesse grundlegend ist.

Der Prozess der sensorischen Integration passiert unbewusst und geht davon aus, dass eine Störung auf sensorischer Ebene alle nachfolgenden Verarbeitungsprozesse beeinflussen kann. Ayres fokussierte auf Übungen, die helfen, die sensorische Integration zu verbessern, mit dem Ziel, die Funktion der Nervenzellen zu normalisieren und zu optimieren. Dieses Konzept ist vor allem in der Ergotherapie sehr verbreitet, bietet aber auch eine wissenschaftliche Grundlage für die Arbeit in der Psychomotorik.

Aucouturier und Lapierre: Bernard Aucouturier und André Bruno Lapierre sind bekannte Vertreter der „Psychomotorischen Praxis Aucouturier“, einem eigenständigen und tiefenpsychologischen Ansatz der Psychomotorik in Frankreich. In Deutschland setzt sich vor allem Marion Esser für eine größere Verbreitung und Implementierung der französischen Psychomotorik-Ansätze ein.

Ihr Konzept basiert auf den Theorien der Psychoanalyse und konzentriert sich auf die motorische Ausdruckskraft und die Bedeutung des kindlichen Handelns. Sie sehen das Handeln der Kinder als eine Art Spiegelung dessen, was sie bei anderen erlebt haben. So verstehen sie die Bewegungen und Handlungen der Kinder als Ausdruck ihrer Erlebnisse mit anderen Menschen.

Praxis

In pädagogischen und therapeutischen Umfeldern, wie der Kinder- und Jugendpsychiatrie, ist die Psychomotorik sehr gefragt. Hierbei entscheidet die Fachkraft, welche Psychomotorik-Schule angewendet wird. In der Regel kombinieren Psychomotoriker verschiedene Ansätze, indem sie medizinische Diagnostik und Verfahren mit pädagogischen und tiefenpsychologischen Konzepten verknüpfen. So können sie Kinder oder Jugendliche ganzheitlich unterstützen und ihnen eine umfassende Hilfe anbieten.

In manchen Bundesländern übernehmen die Krankenkassen die Kosten für psychomotorische Therapie, die in speziellen Praxen stattfindet. Auch Sportvereine haben Psychomotorik-Angebote. Darüber hinaus integrieren Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden psychomotorische Elemente in ihre Arbeit.

Auch in vielen Kindergärten und im Schulsport gibt es psychomotorische Angebote, die entweder selbst organisiert sind oder von externen Trägern angeboten werden. Besonders in der heil- und sonderpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die Behinderungen haben oder gefährdet sind, kommt Psychomotorik zum Einsatz.

Heil- und Sonderpädagogik sind ein Teilbereich der Allgemeinen Pädagogik. Doch die Patienten, die sie betreuen, haben spezielle Bedürfnisse, die besondere pädagogische Unterstützung erfordern. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen können Schwierigkeiten in Bereichen wie Sensorik, Motorik, Emotionen, Kommunikation und Kognition haben.

Genau hier können pädagogische Maßnahmen einen positiven Einfluss haben. Die Psychomotorik kann in diesem Rahmen sowohl die Bewegungserziehung als auch die allgemeine Entwicklung der Persönlichkeit der Betroffenen fördern, indem sie ihnen hilft, ihre Ich-, Sozial- und Sachkompetenz zu verbessern. Dies passt zu den Zielen der Heil- und Sonderpädagogik.

Psychomotorik im gesellschaftlichen Kontext

In der Gesellschaft wird der Bewegung in der Kinderentwicklung immer mehr Bedeutung beigemessen. Einerseits zeigen viele Forschungsergebnisse die positive Wirkung von Bewegung und Wahrnehmung auf die stabile frühkindliche Entwicklung in Bereichen wie Emotionen, Sprachentwicklung, Sozialverhalten und Kognition.

Andererseits führen gesellschaftliche Trends wie steigende Verstädterung, isolierte Kindheitserfahrungen, Kinderarmut, Medienkonsum und Ernährungsfragen dazu, dass Kinder weniger Möglichkeiten haben sich zu bewegen, was zu Bewegungsmangel führt.

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